Moden und andere Seltsamkeiten
In Dahab wohnen viele seltsame Menschen und man sieht viele seltsame Sachen. In den letzten Tagen war es Bekleidung, die mir auffiel.
Am Morgen gehe ich wie immer am Strand spazieren und sehe dort auf der Promenade einen Radfahrer. Allerdings trägt er keine Kleidung, sondern einen Tauchanzug. Ein Froschmann auf dem Fahrrad ist selbst in Dahab ein ungewöhnlicher Anblick.
Am frühen Nachmittag spaziere ich zur Bäckerei, um Brot zu kaufen. Da kommt mir ein schlankes Mädchen in Weiß entgegen. Sie trägt ein Sommerkleid, das ihr bis zu den Knöchel reicht, ihre Schultern jedoch frei lässt. Um den Kopf hat sie nach Art der arabischen Frauen einen Schal geschlungen, der aber mehr als die Hälfte ihres schönen schwarzen Haares freigibt. Da die Sonne hinter ihr seht, ist jede Kontur der langen Storchenbeine durch den weißen Stoff zu sehen. Ich bin verwirrt. Das weiße, vor allem im oberen Teil freizügige Kleid schlägt sich mit dem verhülltem Kopf. Was waren wohl ihre Beweggründe, sich so zu kleiden? Ägyptische Männer hatten vermutlich ihre helle Freude an dem Aufzug, vor allem an dem durchscheinenden Kleid und dem mehr enthülltem als verhülltem Haar.
Das russische Mädchen, das etwas später an mir vorbei spaziert, hat entweder einen sehr verwirrten Geschmack oder sie glaubte, einen neuen Modestil zu kreieren. Die Augen sind hinter einer großen Marlene Dietrich Sonnenbrille verborgen, die blonden Haare sind lose hoch gebunden und der Wind zerrt an den Strähnen. Sie trägt ein enges, kurzes T-Shirt, das jede ihrer Kurven großzügig preisgibt, die Hotpants aus Jeansstoff vollenden den sexy Auftritt. Bis hierher wäre es ein normales russisches Outfit, das man oft in Dahab sieht, doch die Dekoration der Füße macht alles zunichte. Sie trägt eine Mischung aus Holzpantoffel und Stöckelschuhe in grellem Pink und nach ägyptischer Vorliebe mit glitzernden Steinen verziert. Darüber ringeln sich dann gestrickte Legwarmers in allen möglichen Farben. Die Kombination ist zu spezifisch als dass man sich denken könnte, es wäre der Trägern egal gewesen, was sie an diesem Tag trägt. Ihre Haltung und ihr Gang zeigen, dass sie sich modisch und eindrucksvoll vorkommt. Ich muss bei ihrem Anblick eher an ein Puzzle denken, bei dem man mit Gewalt Teile dort hinein drückt, wo sie einem gefallen, aber eigentlich nicht passen. Welchen Sinn machen wollene Legwarmers und unbequeme Schuhe in einem Wüstendorf?
Erwähnenswert auch noch ein Kunde in der Bäckerei, der nicht nur nach arabischer Vorstellungen in seiner Unterwäsche herum läuft. Der junge Mann trägt ein ausgewaschenes blaues T-Shirt ohne Muster oder Verzierungen und dazu eine Boxer Short. Die Shorts haben dünne rote und weiße Längsstreifen, sind weder sexy noch offenbaren sie etwas peinliches, sie haben nur den Charme banaler Unterwäsche und werden der Bequemlichkeit wegen getragen. Urlaubskleidung befreit offensichtlich von Konventionen und ich vermute, der Mann würde in seiner Heimatstadt niemals derartig gekleidet in eine Bäckerei gehen.
Und dann noch ein Anblick, der die latenten Frühlingsgefühle in Wallungen bringt.
Ich sitze mit einer Freundin beim Frühstück und wir können auf die Promenade und auf das Meer hinaus sehen. In der Mitte einer Geschichte, die ich gerade erzähle, höre ich auf zu sprechen, weil mir der Mund offen steht.
Auf der Promenade wandelt ein halbnackter Jüngling. Er trägt eine lange, gestreifte Baumwollhose nach Hippiemanier, keine Schuhe und kein Hemd. Seine blonden Haare stehen wirr nach allen Seiten und sein unsicherer Schritt und die ratlosen Augen zeigen, dass er soeben dem Bett entschlüpft ist. Der nackte Oberkörper ist das Wonnebild eines muskulösen jungen Mannes, die schneeweiße Haut zeigt, dass er gerade aus Europa gekommen sein muss und die Irritation in seinem Gesicht, dass er keine Ahnung hat, wo er sich befindet. Er geht in die eine Richtung und dann in die andere, so als suche er etwas. Ich verspüre den Wunsch, ihn an der Hand zu nehmen und ihn just in das Bett zurückzuführen, aus dem er gerade gekommen ist. Solche Dinge bekommt frau in Dahab zum Frühstück serviert. Quevita!