Bellen
Heute morgen ging ich mit zwei Hunden spazieren, zusätzlich zu meinem eigenen hatte ich auch noch den einer Freundin zum Ausführen. Es ist noch früh, die Stadt schläft noch, es sind nur wenige Autos unterwegs. Auf der Hauptstraße überholt mich ein Traktor und der Fahrer bellt mich an. Wirklich, er imitiert mehrfach das Bellen eines Hundes in meine Richtung.
Nun habe ich schon erlebt, dass Kinder auf diese Weise auf Hunde reagieren. Als könnten sie in Hundesprache dem Hund sagen, dass sie keine Angst vor ihm haben, wie wohl sie natürlich sehr viel Angst vor dem großen Tier haben. Bei dem Traktorfahrer habe ich jedoch das starke Gefühl, dass er mich anbellt und er auf diese Weise versucht, meine Aufmerksamkeit zu erregen.
Ich bin irritiert und muss über den Mann lachen. Welcher Erwachsener stellt sich schon auf diese Weise bloß, überlege ich. Ich lache natürlich nur innerlich, äußerlich ignoriere ich den Traktorfahrer und sein seltsames Verhalten natürlich.
In all den Jahren habe ich gelernt, dass dies die beste Möglichkeit ist, mit der ständigen Aufmerksamkeit von Männern im öffentlichen Raum umzugehen. Die anzüglichen Bemerkungen, Pfeifen, Zischen, Schnalzlaute und seltsame Verhaltensweisen wie in diesem Fall Bellen zielen darauf ab, die Aufmerksamkeit des weiblichen Wesens zu gewinnen, und sei es nur ein verächtlicher Blick oder eine aggressive Wortmeldung. Sie wollen eine Reaktion, egal welche, und diese nicht zu geben ist meine Verteidigungshaltung. Das ständige Angemacht werden ist eines der Dinge, die mich hier sehr nerven.
Und dann fällt mir ein, was mir eine Freundin erzählt hat, die von Kairo nach Istanbul gezogen ist. Die türkischen Männer haben in den letzten 10-15 Jahren gelernt, dass es kein angemessenes Verhalten ist, Frauen auf diese Art zu belästigen. Geht frau durch Istanbul, ist es fast so wie in europäischen Städten. Keine anzüglichen Blicke, keine halblauten Kommentare. Ich fand das sehr angenehm, doch meine Freundin sagte, so sehr sie in Kairo auch davon genervt war, plötzlich fehlte ihr in Istanbul etwas. Als sei sie nicht mehr existent, wenn sie durch die Straßen gehe. Die Blicke und Anzüglichkeiten sind unangemessen, doch zeigen sie auch, dass wir da sind, existieren, ja sogar in gewisser Form begehrenswert. In Europa bin ich mit 42 Jahren und einem wenig verführerischem Äußeren schon lange kein Sexualobjekt mehr, vermutlich müsste ich dankbar sein, dass ich in Ägypten noch als anziehend gelte. Ich bin es nicht. Ich ziehe es vor, unsichtbar zu sein und nicht angebellt zu werden. Ich möchte kein Objekt für sexuelle Phantasien sein, sondern ein Subjekt, das respektiert wird. Ob die Ägypter jetzt nach der Revolution dem türkischen Beispiel folgen? Ich wünsche es mir.