Aufstand in Ägypten: 4.2.2011
Freitag! Die Gerüchteküche besagt, dass es heute wieder zu großen Demonstrationen kommen wird. Ist es wirklich erst eine Woche her, dass es zu der ersten Massendemonstration gekommen ist?
Ich telefoniere mit einer Freundin, die Fotojournalistin ist und immer noch in Kairo. Ich erwische sie am Flughafen, sie verlässt das Land. Die Journalistenhetze, die gestern in Kairo stattgefunden hat, lässt Übles befürchten. Es könnte sein, dass sie nun versuchen, den Zorn der Menschen auf Ausländer zu lenken, es könnte aber auch sein, dass heute mit massiver Gewalt zurückgeschlagen wird und sie so wenig ausländische Zeugen wie möglich haben wollen. Beide Gedanken verursachen mir Enge in der Brust.
„Bleibe am besten zu Hause,“ rät meine Freundin, dabei habe ich gerade mit Freunden ausgemacht, mich um die Mittagszeit mit ihnen am Strand zu treffen. Es ist interessant, wie man von seiner eigenen Situation automatisch auf die Situation von anderen schließt. Sie hat nun zehn Tagen in Anspannung und Angst verbracht, während mich nur Nachrichten von ihr und vom Fernsehen aufwühlen, aber keinerlei persönliche Erfahrung. Ich werde später am Strand liegen, vielleicht sogar schwimmen gehen, und über die Festivitäten zum chinesischen Neujahr mit einer Freundin aus Singapur plaudern, während in Kairo – ein paar hundert Kilometer entfernt – Revolution gemacht wird und Menschen Gewalt angetan wird. Wir sagen immer, Dahab ist ein Platz, wo sich vor allem verrückte Leute wohlfühlen, die in sonst kein Schema passen, aber allmählich bekomme ich das Gefühl, dass Dahab normal ist und der Rest der Welt verrückt.
Sehr beruhigend war gestern ein Gespräch mit dem deutschen Bäcker in Dahab. Er ist mit einer Österreicherin verheiratet und erzählte mir, sie und ich seien die einzigen Österreicherinnen hier. Die Botschaft hätte sie angerufen und ihr versichert, im äußersten Notfall würden sie uns einen Hubschrauber schicken und uns hier rausfliegen. Auch wenn das sehr nach Action-Film klingt, ist es doch das Bild, das ich in meinem Kopf hatte. Wieder einmal bin ich sehr dankbar für meinen österreichischen Pass. Ich werde also bleiben, solange ich was zu tun und zu essen habe.
Wieder einmal heißt es warten. Was wird heute passieren? Wie viele Menschen müssen heute leiden und sterben, nur weil einige fette Bonzen glauben ein Recht auf ihre Privilegien zu haben? Wie immer ist es diese Ungerechtigkeit, die mich zur Verzweiflung treibt. Und da sitze ich nun, in meinem wunderschönen Garten und frühstücke mit meiner Freundin. Es ist ein sehr warmer Tag mit leichter Südwind und ein paar vereinzelten Wolken. Ein perfekter Tag für den Strand. Und da gehen wir nun auch hin und vergessen für ein paar Stunden die Revolution.