Abschied
Als ich diesen Blog vor über einem Jahr begonnen habe, war er dazu gedacht, einen Eindruck vom Leben in Dahab zu vermitteln. Dann kam die ägyptische Revolution und das Leben veränderte sich unwiederbringlich. Es waren keine radikalen Veränderungen, vieles geschah fast unmerklich, schleichend und langsam. Nur weniges veränderte sich zum Guten.
Die Lebensmittelpreise stiegen an. Das taten sie zwar schon seit einigen Jahren, doch im letzten Jahre war dies deutlich spürbar. Es kamen weniger Touristen. Das hatten wir auch schon zuvor erlebt, zum Beispiel nach den Bombenanschlägen von 2007 und wie damals wird sich der Tourismus auch davon in ein oder zwei Jahren wieder erholen.
Sehr deutlich spürbar war die veränderte Sicherheitslage. Es wurde sehr viel mehr eingebrochen und gestohlen, ein Zeichen dafür, in welcher prekären Situation sich viele Ägypter befinden und wie viel weniger die Polizei zur Aufrechterhaltung der öffentlich Sicherheit beiträgt. Manche Medienberichte bezeichneten den Sinai als rechtsfreien Raum und dazu konnte man nur zustimmend nicken.
Zu den guten Veränderungen gehört, dass die Beduinen sich organisieren und lautstark auf ihre Probleme und Forderungen aufmerksam machen. Die Sicherheitslücken ermöglichen zumindest ihnen, wieder mehr Kontrolle auf eigenem Land auszuüben. Ob das allerdings eine dauerhafte Entwicklung ist, bleibt abzuwarten.
So wie nicht abzusehen ist, ob es für Ägypten tatsächlich eine Veränderung in Richtung Demokratie, Freiheit und mehr soziale Gerechtigkeit geben wird. Die Masse der Bevölkerung wünscht sich nicht viel mehr als Arbeit, genug zu essen und die Möglichkeit, die Kinder auf eine gute Schule zu schicken. Doch die Mächtigen fürchten, aus diesen Kindern könnten einmal mündige Bürger werden, die dann noch viel mehr fordern, wie Mitspracherecht, die Möglichkeit unbeschadet seine Meinung zu äußern und das Recht, Missstände anzuklagen. Die jungen Leute, die die Revolution immer noch am Laufen halten, sind genau das: gut ausgebildet und doch ohne Chance auf ein freies und selbstbestimmtes Leben mit guten Einkommensmöglichkeiten. Talent, Ehrgeiz und Können zählen in einem korrupten System wie Ägypten nicht. Weiter bringt einen nur Geld, Familienverbindungen und der Kontakt zu einflussreichen Leuten und dieser Weg steht nur wenigen offen.
So ringen die verschiedenen gesellschaftlichen Kräfte um neue Machtverhältnisse. Die alte Garde will nicht abtreten und kann die Zeichen der Zeit nicht erkennen. Die Jungen haben nichts zu verlieren. Es erscheint ihnen besser, ihr Leben auf der Straße im Kampf gegen ein ungerechtes System zu verlieren als mit einem hoffnungslosen Leben, in dem man vor allem schikaniert und gedemütigt wird, weiter zu machen.
Wie viele, die die Gastfreundschaft Ägyptens so oft genossen hat, wünsche ich den Menschen dieses großartigen Landes, dass sie mehr von den Rechten und von dem Wohlstand erringen können, die für uns in Europa so selbstverständlich sind.
Für mich persönlich war es Zeit, Ägypten zu verlassen und in Europa ein neues Leben zu beginnen. Darum werde ich diesen Blog beenden und danke allen LeserInnen, die sich die Zeit genommen haben, meinen Berichten Aufmerksamkeit zu schenken.