Dienstag, 17. Mai 2011
Mulitkulti Kinder in Dahab
In Dahab wächst eine interessante Generation heran. Ich glaube nicht, dass es an einem anderen Ort in Ägypten so viele kulturell gemischte Ehen und Beziehungen gibt wie hier.

Der klassische Fall ist eine Europäerin, die hierher auf Urlaub kommt, sich verliebt und der Beziehung wegen nach Dahab zieht. Der größte Anteil der gemischten Ehen ist hier ägyptisch/europäisch, wobei Europäisch sich auch auf weit hinter den Kaukasus bezieht.

Schon etwas ungewöhnlicher sind Ehe zwischen Beduinen und Europäerinnen, doch auch davon gibt es in Dahab mehr als sonst irgendwo. Kinder aus diesen Beziehungen haben es schwer, da die Beduinen-Gesellschaft sie nicht akzeptieren kann. Abstammung und Familienzugehörigkeit sind für die Beduinen sehr wichtig, Mischlingskinder sind folglich"Bastarde", die keine sozial geachtete Stellung erklimmen können.

Damit ist die breite Palette der kulturellen Vermischungen in dieser Kleinstadt von vielleicht 10.000 Menschen bei weitem nicht zu Ende.

So gibt es hier z.B. auch einen Ägypter aus Alexandria, der mit einer Tunesierin verheiratet ist, beide sind jedoch auch Kanadische Staatsbürger. Ihre Kinder wurden in Kanada geboren und verbrachten dort ihre ersten Lebensjahre, bevor sie in das internationale Dorf Dahab zogen.

Von der Anzahl der Nationen her könnte man Dahab für eine Weltmetropole halten.

Eine Estländerin fand und verlor (durch einen Autounfall) hier in Dahab ihren deutschen Ehemann und Vater ihres Kindes. Eine Australierin und ein Schwede verliebten sich in Dahab und zogen erst letzte Jahr nach Australien, um dort eine Familie zu gründen. Eine Deutsche trifft hier einen Engländer indischer Abstammung und gemeinsam versuchen sie nun, sich eine Zukunft aufzubauen. Eine Irländerin begegnet der Liebe ihres Lebens hier in Person eines Dänen, der auch Halbägypter ist. Eine Russin mit einem Italiener, eine Hongkong-Chinesin mit einem Deutschen, eine Südafrikanerin mit einem Ägypter, der in der Schweiz aufgewachsen ist und einen Schweizer Pass hat, die Liste lässt sich endlos fortsetzen.

Die Umgangssprache in den meisten dieser Beziehungen ist Englisch, das alle mehr oder weniger gut beherrschen. Kinder aus diesen Beziehungen wachsen hier mit mindestens drei Sprachen auf und können sich mit fünf oder sechs Jahren fließend in Englisch, Arabisch und die jeweilige Muttersprache der Eltern ausdrücken. Meist lernen sie auch noch Bruchstücke von Spielgefährten wie Deutsch, Französisch, Russisch oder Beduinen-Arabisch. Das Lieblingswort eines Kindes, das einen englischen Vater und eine Singapur-Chinesin zur Mutter hat, ist AUTO. Das hat er von seinem besten Freund gelernt, der einer österreichisch-deutschen Beziehung entstammt. Dieser deutsche Vater wiederum ist ein Bayer, dessen Mutter in Nachkriegsbesetzten Deutschland von einem schwarzen, amerikanischen Soldaten schwanger wurde.

Vermutlich gibt es nur wenige Orte in der Welt, wo die Gene so fröhlich durcheinander geschüttelt werden.
Die Kinder feiern islamische und christliche (katholisch, orthodox oder auch koptisch zur freien Auswahl) Feiertage, essen asiatisch, ägyptisch, europäisch und afrikanisch, kriegen in der Schule das eine Wertesystem eingehämmert, zu Hause ein anderes und auf der Straße gilt sowieso das Kindergesetz.

Wie nun werden diese Kinder in dem wilden kulturellen Mix umgehen, wenn sie erwachsen sind? Werden sie eines Tages die Brückenbauer zwischen verfeindeten Kulturen sein? Ich hoffe es.
Tatsache ist, dass man in Dahab immer hineinpasst, wenn man sonst nirgends hin passt. Einer der Gründe, warum es sich hier so gut leben lässt.