Samstag, 5. Februar 2011
Medien und Angst
5.2.2010
In Dahab war gestern die Polizei wieder sichtbar. Polizeiwagen sind auf der Straße und auf der Promenade wandern einige gemächlich auf und ab. Heißt das, dass die Staatsmacht wieder ans Ruder gelangt ist? In Dahab erscheint alles unverändert. Die Männer sind vielleicht ein wenig nervöser, aber sonst ist nicht viel zu bemerken.
Was Leute sagen und erzählen, ist immer eine Meinung und das betrifft auch die Medien. Unser Psyche jedoch verarbeitet es als Fakten, und wenn diese Information eine Urangst in uns trifft, dann reagieren wir mit Panik und Fluchtgedanken, und denken nicht daran, die uns gegeben Information auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen. Vermutlich hat das mit unserem Steinzeitinstinkt zu tun, wo überlegen und nachprüfen zu viel Zeit und folglich das Leben gekostet hätte. Wenn einer meiner Sippe gelaufen kommt und schreit: „die Nachbarsippe greift uns an“, da gehe ich nicht hin und überprüfe, ob das stimmt, was er sagt, sondern laufe weg. Dieser Mechanismus funktioniert immer noch einwandfrei, der moderne Mensch hat allerdings das Problem mit zu viel Information gefüttert zu werden und in den meisten Fällen gar keine Möglichkeit, diese auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen. Wir müssen darauf vertrauen, dass Autoritäten und Medien uns die Wahrheit sagen.
Was sie in den seltensten Fällen tun. Die modernen Medien erscheinen wie ein äußerst negativer Mensch. Wir alle haben jemanden in unserem Freundes- und Bekanntenkreis, der immer nur klagt, alles schwarz malt und sich sensationsgeil auf jedes negative Ereignis stürzt und genüsslich die Einzelheiten breitwälzt. Das ist der hervorstechendsten Charakterzug unserer Medien. Der Mensch in der sogenannten westlichen Welt befindet sich kaum mehr in tatsächlicher Lebensgefahr, d.h. ihm fehlt das Adrenalin einer gefährlichen Situation, die das Leben so lebenswert machen kann. Die Medien geben ihm nun diesen Kitzel, ohne das er etwas für sein eigenes Leben befürchten muss.
Es ist schon auffällt, dass unsere Freunde und Verwandten in Europa sehr viel panischer reagieren, als die Leute hier, die in der tatsächlichen Situation sein. Jeder von uns hat Anrufe von besorgten oder sogar hysterischen Eltern, die zum sofortigen Verlassen des Landes auffordern. Die Leute „draußen“ haben nur das Bild, das ihnen die Medien vermittelt und sie sehen nur Gewalt, brennende Autos, weinende Menschen. Wir hier haben andere Informationsquellen und können etwas gelassener sein, vor allem wenn unser Alltag weitgehend bestehen bleibt. Ich nehme so kleine Zeichen wie die immer noch täglich vorbeikommende Müllabfuhr und die staatliche Wasserlieferung, die heute pünktlich wie immer gekommen ist, als Hinweis darauf, dass die Situation in Ägypten nicht so kritisch ist, dass ich um mein Leben fürchten muss. Aber ich bin sicher, dass meine Eltern den schlimmen Neuigkeiten der Nachrichten mehr Glauben schenken als meinen Versicherungen, dass so weit alles in Ordnung ist.
Als ich Journalismus studierte, lernte ich die alte Regel: Only bad news are good news. Nur schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten (für den Journalisten!). Der Journalist findet also nur Katastrophen, Krisen, Leid, Drama und ähnliches berichtenswert. Natürlich muss von den schlimmen Dingen dieser Welt berichtet werden, denn sonst wäre z. B. der Vietnamkrieg nie beendet worden. Doch ich wünsche mir eine neue Regel: auf vier schlechte Nachrichten muss eine gute folgen. Es geschehen täglich und überall wunderbare Dinge, Menschen werden wie durch ein Wunder gerettet, Unglück wird abgewendet, etwas Neues und Faszinierendes wurde entdeckt, es gibt auch genug davon zu berichten. Für die Psychohygiene des modernen Medienkonsumenten würde ich mir diese neue Regel bei der Ausbildung von Journalisten wünschen.
Bei all den schlimmen Nachrichten aus Kairo bin ich entzückt über die kleinen, humorvollen Scherze und Comics zur Krise, die einen zum Lachen bringen und somit die Anspannung etwas von uns nehmen. Hier ein wunderschönes Beispiel:
notwendiger Humor