Aufstand in Ägypten: 3.2.2011
Wer dieses Regime kennt, hätte sich gewundert, wenn der Aufstand gewaltlos über die Bühne gegangen wäre. Mubarak schickte gestern seine Schlägertruppen und Polizei auf den Tahrir Platz, um die dort immer noch demonstrierenden Leute für ihre Anmaßung, demokratische Reformen zu fordern zu bestrafen. Es tut mir in der Seele weh an all die Menschen zu denken, die dort verletzt und vielleicht getötet werden, weil sie mehr Demokratie, Rechtssicherheit und bessere Verteilung des Reichtums fordern.
Aber die, die bisher vom System profitiert haben, leben jetzt in Angst und folgen nur zu willig der Aufforderung, zurück zu schlagen. Dieses Land funktioniert weitgehend nach diesem Motto: Hast du Geld und kennst die richtigen Leute, kannst du dir alles erlauben. Hast du das nicht, trampelt ein jeder, der mehr hat als du, auf dir rum. Die Mittelschicht ist in Ägypten praktisch nicht vorhanden und gibt es eine funktionierende Demokratie nur mit einer ausgeprägten Mittelschicht?
Natürlich ist dem Land nicht geholfen, wenn Mubarak einfach verschwindet. Das ganze System gehört geändert, die Polizei neu strukturiert und das Verdrehen der Gesetze muss unterbunden werden. Die Polizei hat seit 30 Jahren willkürlich gehandelt, da werden Wölfe nicht plötzlich Lämmer. Die müssen erst umlernen, dass ihre Aufgabe in erster Linie darin liegt, den Bürger zu beschützen und nicht ihn zu malträtieren, weil es ihnen gerade so einfällt. Sich an Recht und Gesetz zu halten haben die Menschen hier in den letzten 30 Jahren verlernt.
Meine Lösung wäre: Mubarak bleibt noch 4 weitere Monate an der Macht und bereitet Reformen vor. Als erstes muss die Notstandverordnung aufgehoben werden, auf Grund derer er sich so lange an der Macht halten konnte. Gestern sprach er davon, die Regierungszeit eines Präsidenten zeitlich beschränken zu wollen, was mich zu einem bitteren Lachen veranlasste. Zu so einer Äußerung kann er sich nur durch massiven Druck veranlasst sehen. Das Angebot im September abzutreten ist lächerlich und das wissen auch alle, dann das war sowieso sein Plan. Er wollte bei den Wahlen im September seinen Sohn als Nachfolger installieren und das Land weitere 30 Jahre in dem Zustand absoluter Abhängigkeit von seiner Familie und Partei halten. Das ist kein Zugeständnis und darum gehen die Demonstranten auch nicht heim.
Möge der Glaube den Menschen hier helfen, diese Krise durchzustehen und möge Mubarak eine Erleuchtung treffen und ihn menschlich handeln lassen.
Immer mehr Leute verlassen das Land, vor allem in Kairo. Ich telefoniere noch mit einer Freundin, die in Kairo am Flughafen sitzt und auf ihre Maschine nach Österreich wartet. Bis gestern, sagt sie, war das alles eine enthusiastische Revolution, aber jetzt wird es bitter. Mubarak hält sich in Sharm el Sheik versteckt, erzählt sie mir und das macht mich wütend. So ein Feigling, in Kairo könnten sie wahrscheinlich nicht mehr für seine Sicherheit garantieren und wenn er abhaut, dann ist es von dort aus sehr viel einfacher. Das zeigt aber auch, wie verunsichert er ist.
Lass mein Volk ziehen, sagte schon Moses zu dem Pharao und das selbe rufen wir jetzt Mubarak zu: Lass die Ägypter in eine neue Zukunft ziehen und lade nicht noch mehr Blutschuld auf dein Gewissen.